Weißt Du eigentlich, was Netzneutralität ist?
Genau — das Konzept, das der liebe Donnie Trump kürzlich abgeschafft hat. Das Konzept, das wir in Deutschland und Europa zwar theoretisch haben, bei dem aber die Lobbyisten im Auftrag von Telekom, Vodafone & Co. (nicht zuletzt der tolle Ex-EU-Digitalkommissar Oettinger, der nach eigenen Aussagen nichtmal seinen Kalender im Handy selbst bedient) schon längst dafür gesorgt haben, dass es eigentlich nur noch ein Fake ist, der dem doofen Kunden als Vorteil verkauft wird.
Burger King wird im Netz gerade gefeiert, weil sie das Thema Netzneutralität am Beispiel des Whoppers schön erklärt haben.
Also nochmal zur Erklärung:
„Netzneutralität bezeichnet die Gleichbehandlung von Daten bei der Übertragung im Internet und den diskriminierungsfreien Zugang bei der Nutzung von Datennetzen.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Netzneutralit%C3%A4t)
D.h., der Netzbetreiber (der ja für die Nutzung vom Netzbenutzer — also auch dir — Gebühren erhält) hat nicht zu entscheiden, welche Daten dich schneller, langsamer oder gar nicht erreichen. Es geht ihn schlicht nichts an. Ein solches Konzept haben wir übrigens auch an anderer Stelle: nennt sich Briefgeheimnis. Auch da bezahlt der Absender dafür, dass dir der Brief zugestellt wird, unabhängig davon, was drin steht. Denn stell dir vor, die Post würde Briefe öffnen, den Inhalt auswerten, und danach entscheiden, wie schnell (oder ob überhaupt) dich der Brief erreicht. Sagen wir mal, sie entscheiden zwischen wegwerfen, Transport mit der nächsten Karawane via Sahara bis hin zu Luftpost Express. Natürlich kannst du dich davon freikaufen. Wenn du (also der Empfänger) der Post einen kleinen Obolus bezahlst — sagen wir mal 29 EUR pro Monat — dann kommen alle weißen Briefumschläge auf dem schnellsten Weg zu dir. Für nochmal supergünstige 19 EUR pro Monat kannst du diesen „StreamOn-Service“ auch auf braune Briefumschläge ausweiten.
Klingt absurd, oder?
Aber genau das passiert gerade ganz real im Internet. Digital-Legastheniker Oettinger beschwor „Taliban-artige Zustände“ herauf, weil nach seiner Argumentation bspw. Gamer „wichtigeren“ Daten wie Gesundheitsdaten Bandbreite wegnehmen würden. Was übrigens sowohl technisch wie auch inhaltlich Käse ist. Die Netzbetreiber in Deutschland haben sich daraufhin alle vorhandenen Schlupflöcher in dem entsprechenden Gesetzen reichlich zunutze gemacht und die theoretisch noch gebotene Netzneutralität ausgehebelt.
Aber wem nützt das?
Ganz einfach: Die Netzbetreiber haben durch Umgehung oder Abschaffung der Netzneutralität die Möglichkeit, mehrfach abzukassieren. Einmal für den Netzzugang an sich von Datenanbieter und Endkunde und dann (ggf. gern auch mehrfach) für die Durchleitung von Daten. Schöne neue Welt.
Interessiert dich alles nicht? Viel zu technisch? Na ja, im Ergebnis haben wir in Deutschland die mit Abstand höchsten (mobilen) Internetkosten in ganz Europa (https://www.tagesschau.de/inland/mobilfunkstudie-101.html). Und das interessiert dich wahrscheinlich schon. Beispiel:
Ein Mobilfunktarif mit 50GB kostet in Frankreich knapp 15 EUR im Monat. In Deutschland 200! Ja, Euro.
Wie sieht das nun in der Praxis aus?
Die Mobilfunkanbieter verkaufen uns schöne neue Produkte. Die es aber gar nicht gäbe, wenn sie nicht vorher die Netzneutralität unterwandert oder durch künstliche und aus technischer Sicht unnötige Beschränkungen dafür gesorgt hätten, das Angebot (an Online-Volumen) künstlich zu verknappen.
Beispiel gefällig?
Die Produkte „Telekom StreamOn“ oder „Vodafone Pass“ erlauben dir, bestimmte Dienste zu nutzen, ohne dass die Nutzung deinem sowieso immer viel zu knappen Online-Volumen abgezogen wird (über den irreführenden Missbrauch des Begriffs „Flatrate“ lasse ich mich an dieser Stelle mal nicht weiter aus). Würden die Provider nicht (technisch unnötiger Weise) die Bandbreite beschränken, wären die Produkte sinnlos. So aber kassieren die Provider gleich dreimal. Erst bei dir für den Internetzugang. Dann beim Anbieter der Daten (also bspw. YouTube) für die Aufnahme in das “Programm”. Und dann nochmal bei dir für das „Upgrade“. Alles nur, weil sie dir das Produkt „Internetzugang“, für das du sowieso bezahlst, künstlich einschränken. Eine Schutzgeld-Erpressung im Mafia-Stil: „Schöne Daten nutzen Sie da. Wäre doch schade, wenn die nur noch mit Steinzeitgeschwindigkeit durchs Netz tröpfeln würden. Unterschreiben Sie einfach hier für “StreamOn” (oder eben “Vodafone Pass”)”.
Ich weiss nicht, wie es dir geht … mich regt sowas maßlos auf. Und zwar nicht, dass die Provider das tun (klassischer Kapitalismus — es ist ihr Job, den Shareholder Value zu maximieren, indem sie herausholen, was geht. Wie das moralisch zu beurteilen ist, steht auf einem anderen Blatt.) Sondern, dass die unfähige Politik in Deutschland uns zum digital rückständigsten Land in Europa gemacht hat. Und mit einer Neuauflage der unsäglichen GroKo wird es genau so weitergehen.
Weitere lesenswerte Beiträge zum Thema Netzneutralität (Reihenfolge ist nicht wertend):
https://netzpolitik.org/2018/netzneutralitaet-chaos-computer-club-schiesst-scharf-gegen-vodafone-pass/
https://netzpolitik.org/2017/netzneutralitaet-bundesnetzagentur-untersagt-teile-von-streamon/
http://www.sueddeutsche.de/digital/netzneutralitaet-in-deutschland-auch-in-deutschland-ist-die-netzneutralitaet-durchloechert-1.3791748
http://www.zeit.de/digital/internet/2017-12/netzneutralitaet-streamon-bundesnetzagentur-verbraucher-interesse
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